Musik und Texte zu Glaube, Krieg und Versöhnung

Der Krieg mitten in Europa geht uns besonders nahe. Wieder kommen Leid, Trauma, Verletzungen und Tod über ein Land, werden Herzen hart und Gefühle eingefroren. Die Erfahrungen gleichen sich, ob in der Ukraine, in Syrien oder Afghanistan, und es sind zugleich die Erfahrungen der Generation unserer Eltern, der „Kriegskinder“, und es berührt auch noch die „Kriegsenkel“.

Im 17. Jahrhundert erlebte eine ganze Generation von 1618-1648 keinen Frieden. Wie gehen Menschen mit einem scheinbar endlosen Krieg um? Mitten in den Wirren dieses 30jährigen Krieges komponierte Schütz eine konzertante Motette, ein berührendes Stück Musik, zwischen Hilferuf und Freudentaumel: „Es steh Gott auf!“ - Ein Jahr später folgte sein „Verleih uns Frieden“ – eine innige Hoffnungsmusik.

Das Konzertprogramm erzählt so eine Geschichte zwischen Glauben, Krieg und Versöhnung. Wie finden wir verlorenen geglaubtes Vertrauen wieder? Können wir die Vision eines Gemeinsamen Hauses Europa mit Leben füllen?

Zur Musik treten Texte von Geflüchteten von heute und aus dem 17. Jahrhundert. Die Musik drückt aus, was mit Worten kaum zu fassen ist.

Ensemble Respiro realisiert seit 2009 Konzertprojekte mit historischen Instrumenten und Sängern mit Musik des Frühbarocks. Das Ensemble besteht aus Musikern, die sich auf die Musik des 17. Jahrhunderts spezialisiert haben und mit Begeisterung alte Musik neu interpretieren.

Zum Programm

Glaube und Krieg stehen in einem widersprüchlichen Verhältnis. Obwohl alle Weltreligionen im Kern die Nächstenliebe predigen, werden Kriege seit Menschengedenken immer wieder religiös motiviert geführt. Das Gefühl kultureller oder moralischer Überlegenheit "rechtfertigt" dann Gewalt. Unser Konzert widmet sich diesem Spannungsverhältnis zwischen Glauben, Krieg und Versöhnung heute, wie zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

A la battaglia ist der Titel einer Anzahl von Stücken, die die Schlacht beschreiben. Am Hofe des 17. Jahrhunderts werden sie als Schaukämpfe idealisiert.

Zwei Motetten von Giovanni Gabrieli bringen die höchste Not des Menschen hilfesuchend in Form spiritueller Anbetung zum Ausdruck: O Jesu mi dulcissimi und Beata es virgo Maria.

Der Lobgesang der Hannah Exultavit cor meum drückt überschwängliche Freude und Dank sowie die Hoffnung auf den Gott als Retter und Bewahrer in der Not aus. Gefährlich nur, wenn aus Begeisterung und Überzeugung für den eigenen Glauben schließlich Überschätzung wird.

„Aber die Gerechten müssen sich freuen, und fröhlich sein für Gott.“ (Psalm 68)

In die Mitte der Lebenszeit von Heinrich Schütz fällt von 1618 bis 1648 der verheerende Dreißigjährige Krieg in Europa. Über eine Generation lang tobt eine nicht enden wollende Welle der Gewalt. Die Herrschenden nutzen religiöse Streitfragen als moralische Legitimation im Kampf um die Vormachtstellung in Europa. Die Bevölkerung leidet durch die umherziehenden Söldnerheere, Plünderungen, Vergewaltigungen, Gewaltexzesse, aber auch Hungersnöte und Epidemien. In dieser Zeit komponierte Schütz seine Motette Es steh Gott auf, ein Hilferuf nach einem Gerechtigkeit schaffenden Gott. Die mitreißende Ciaconne im zweiten Teil lässt die Freude der Friedfertigen erklingen.

Als Friedensbotschaft vertonte Schütz mit seiner Motette den Luther-Choral Verleih uns Frieden gnädiglich. Der Frieden brachte 1648 das Ende von Chaos und Gewalt. Eine lange Friedenszeit in einem politisch und konfessionell neugeordneten Europa folgte.

Im Programm folgt Domine labia mea aperies von Heinrich Schütz, dessen Text in der Kirchentradition dem morgendlichen Lobgesang zugeordnet ist, und dann die anonym überlieferte Psalm-Motette Beati omnes, qui timent dominum. Der Segenspsalm mündet in das Pacem super Israel heute möchten man ergänzen: Pacem super Israel, Palaestina, Syria et Ukraine

SPUREN DES KRIEGES IN UNSEREN BIOGRAPHIEN

Krieg hinterlässt tiefe Wunden in unseren Seelen. Spuren des Zweiten Weltkriegs finden sich auch noch in unseren Biographien. Unsere Eltern gehören zum Teil zur Generation der „Kriegskinder“, sie erlebten bis 1945 als Kinder den Krieg.

Da stellt einer unserer Musiker fest, dass der Großvater mit der Wehrmacht bis Moskau gezogen ist, der eines anderen dann mit der russischen Armee Berlin befreit hat. Ein anderer Großvater meldete sich als Siebzehnjähriger freiwillig zur Marine, um der Gefahr zu entgehen, im Russlandfeldzug als Kanonenfutter zu enden. Er erlebt die große Seeschlacht vor Wilhelmshafen und wird Zeit seines Lebens ein Kriegsverächter bleiben.

Da sind die Eltern, die als Kinder den Bombenkrieg erlebt haben. Die Mutter, die erzählt, wie sie ihre Eltern beim Alarm zeitweilig verloren hatte. Da ist der Vater, der auf der Flucht vor dem Krieg sein zu Hause verlassen musste und schließlich seinen Vater verloren hat.

Da ist die Großmutter, die beim Angriff ihr Baby schützte und dabei ums Leben kam. Da sind unsere Eltern und Großeltern, die entbehrungsreiche Zeiten mit Hunger und Krankheit erleben mussten.

Da ist die Heimatstadt, die noch im April 1945 zu 80% zerstört wurde.

Und da ist eine große Dankbarkeit, im Frieden aufgewachsen zu sein!

Mit dem Ukraine-Krieg ist der Schrecken militärischer Gewalt wieder in die Mitte Europas gekommen. Afghanistan und Syrien sind weitere Länder der nicht enden wollenden Kriege unsere Tage. Zu uns kommen Geflüchtete, die Krieg und Flucht erlebt haben. Die Flucht nach Europa ist oft überaus gefährlich und traumatisch.

Heute fragen wir uns: Wie können wir Michael Gorbatchows Vision eines gemeinsames Hauses Europa mit neuem Leben füllen?

Andreas Neuhaus

Texte und Übertragungen

0 Jesu mi dulcissime,

adoro te in stabulo commorantem
O puer dilectissime,
adoro te in praesepio jacentem.

O Christe, rex piissime,
adoremus te
in faeno cubantem
in coelo fulgentem.

O mira Dei pietas,
O singularis carıtas,
Christus datus est,
Jesus natus est,
datus est a padre,
natus est de virgine matre.

O divina ergo proles,
te colimus hic homines
ut veneremur caelites.

0 mein süßester Jesus,

ich bete dich an - im Stalle,
O heißgeliebter Knabe,
ich bete dich an - in der Krippe

O Christus, gütigster König,
wir beten dich an,
der du schläfst im Heu
und zum Himmel strahlst.

O wunderbares Mitgefühl Gottes,
o unvergleichliche Liebe,
Christus, uns gegeben,
Jesu ward geboren,
gegeben vom Vater,
geboren von der Jungfrau Mutter.

O göttlicher Spross,
wir Sterblichen verehren dich
auf dass wir dich im Himmel ehren.

Beata es, virgo Maria,

Dei genitrix,
quae eredidist omnia
perfecta sunt in te,
quae dicta sunt tibi:
ecce, exaltata es
super choros angelorum:
intercede pro nobis
ad Dominum Deum tuum.

Glücklich bist du, Jungfrau Maria,

Mutter Gottes,
die du alles geglaubt hast,
in dir ist erfüllt,
welches dir gesagt wurde,
die du erhoben bist
über den Chor der Engel,
tritt ein für uns
bei Gott, deinem Herrn.

Exultavit cor meum in Domino.

Et exaltatum est cornu meum
in Deo meo,
dilatatum est os meum
super inimicos meos,
quia laectata sum in salutari tuo.

Non est sanctus ut est Dominus,
neque enim est alius extra te
et non est fortis
sicut Deus noster.
(1. Samuel: 2, 1-2)

Mein Herz ist fröhlich im Herrn,

mein Horn ist erhöht
in dem Herrn,
mein Mund hat sich weit aufgetan über meine Freude,
denn ich freue mich deines Heils.

Es ist niemand heilig wie der Herr,
außer dir ist keiner,
und ist kein Hort,
wie unser Gott ist.

Es steh Gott auf,

dass seine Feind zerstreuet werden, und die ihn hassen für ihm fliehen.
Vertreib sie, wie der Rauch vertrieben wird, wie das Wachs zerschmilzt vom Feuer,
so müssen umkommen,
die Gottlosen für Gott.

Aber die Gerechten müssen sich freuen,
von Herzen freuen, und fröhlich sein für Gott.
(Ps. 68, 1-5)

 

Venite ad me

omnes qui laboratis
omnes qui onerali estis.
Venite ad me,
et ego reliciam vos.
Tollite jugum meum super vos,
et discite a me,
quia mitis sum
et humilis corde,
et invenielis requiem
animabus vestris,
Jugum enim meum suave est,
et onus meum leve.
(Matthäus 11,28-30)

Kommet her zu mir,

alle die ihr mühselig,
alle die beladen seid,
kommet her zu mir,
denn ich will euch erquicken.
Nehmet auf euch mein Joch,
und lernt von mir,
denn ich bin sanftmütig
und von schlichtem Herzen,
und so wird Ruhe
in eure Seelen kommen.
Denn mein Joch ist sanft,
und meine Last ist leicht.

Verleih uns Frieden genädiglich,

Herr Gott zu unsern Zeiten,
es ist doch ja kein ander nicht,
der für uns könnte streiten,
denn du, unser Gott, alleine.

 

Domine, labia mea aperies,

et os meum
annuntiabit laudem tuam.

Herr, öffne mir meine Lippen,

und mein Mund
wird verkünden dein Lob.

Beatus omnis qui timet Dominum,

qui ambulat in viis eius,
laborum manuum tuarum
comederis beatus tu
et bene tibi erit,
uxor tua sicut vitis fructiefera
in penetrabilibus domus tuae
filii tui sicut germina olivarum
in cicuitu mensae tuae.

Ecce sic benedicetur
vir qui timet Dominum.
Benedicat tibi Dominus ex Sion
et videas bona Hierusalem
omnibus diebus vitae tuae
et videas filios filiorum tuorum
pacem super Israhel.
(Psalm 128)

Wohl dem, der den Herrn fürchtet

und auf seinen Wegen gehet!
Du wirst dich nähren
deiner Hände Arbeit
wohl dir, du hast es gut!
Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock in deinem Haus
deine Kinder wie junge Ölbäume
um deinen Tisch her.

Siehe, so wird gesegnet
der Mann, der den Herrn fürchtet.
Der Herr wird dich segnen aus Zion
dass du siehst das Glück Jerusalems
dein Leben lang
und siehst deiner Kinder
Friede über Israel!

 

Wir danken